«Es geht an der heutigen Veranstaltung nicht um ein Nein oder ein Ja zu Europa, sondern um eine Auslegeordnung», machte Moderator Philipp Gemperle an der 71. Nacht der Liberalen im Kornhaus Romanshorn klar. Alexandre Fasel, Staatssekretär EDA, und Helene Budliger Artieda, Staatssekretärin und Direktorin SECO, verrieten in der Podiumsdiskussion «Reden wir über Europa» mit Regierungspräsident Walter Schönholzer und Nationalrätin Kris Vietze, wie leidenschaftlich sich der Bundesrat und die vielen involvierten Unterhändler für den bestmöglichen Weg für die Wirtschaft und die Schweizer Bevölkerung einsetzen.
Massgeschneidert für die Schweiz
Das massgeschneiderte Paket «Bilaterale III» würde die engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) auf eine sichere und langfristige Grundlage stellen, sind die beiden Schweizer Diplomaten überzeugt. Freihandelsabkommen alleine hingegen würden den spezifischen Schweizer Bedürfnissen weit weniger Rechnung tragen. «Insbesondere auch die im Thurgau besonders starke Landwirtschaft müsste ohne Bilaterale Verträge mit der EU grosse Nachteile in Kauf nehmen», betonte Helene Budliger Artieda. Alexandre Fasel sagte: «Für die ganz konkreten Schweizer Ansätze setzen wir uns mit aller Kraft ein. Scheitern diese Verhandlungen, geht es am Schluss nur noch um «Alles oder Nichts». Und das wollen wir unbedingt verhindern.»
Nicht nur Bittsteller
Regierungspräsident Walter Schönholzer, der seit 2023 als Vertreter der Ostschweizer Regierungskonferenz (ORK) Mitglied im Leitenden Ausschuss der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) ist, verdeutlichte, dass eine offene transparente Kommunikation für das Verständnis und die Akzeptanz in der Bevölkerung zentral seien. «Unsere über 20'000 Thurgauer KMU- und grossen Industriebetriebe exportieren 70 Prozent ihrer Produkte nach Europa», so der Thurgauer Volkswirtschaftsdirektor. Nationalrätin Kris Vietze ergänzte: «Der barrierefreie Zugang zu diesem Heimmarkt ist für unsere KMU, unsere Landwirtschaft und die ganze Gesellschaft sehr wichtig.» Es bleibe aber dabei: «Wir sind definitiv keine Bittsteller – was zählt, ist das Gesamtergebnis der Verhandlungen. Sobald dieses vorliegt, kann unser Land auf einer seriösen Grundlage entscheiden.»
Die Herausforderungen annehmen
«Wir sind zumindest stur genug», antworte Helene Budliger Artieda auf die Frage, ob denn die Schweiz in den Verhandlungen stark und selbstbewusst genug sei. Parteipräsident Gabriel Macedo brachte es auf den Punkt: «Wir stehen dafür, dass unser Land in einer sich wandelnden Welt offen, souverän und selbstbewusst bleibt, eine Schweiz, die ihre Stärken nutzt, aber auch die Herausforderungen annimmt». Im Anschluss an das von Martina Pfiffner Müller und Philipp Gemperle hervorragend geführte Podium pflegten die rund 120 Gäste an ihrem traditionellen Novemberanlass den gemeinsamen Austausch und genossen die Vorführungen der Akrobatikgruppe aus dem Regionalen Leistungszentrum Ostschweiz sowie die von DJ Roger aufgelegte Musik.